Gugelfuhr

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"Gugelfuhr" - das ist ein alemannischer Begriff für das Durcheinander bei einer Fahrt oder einem Unternehmen.

Manche Zeitläufe gleichen Gugelfuhren.
Und auch die ganze Welt ist eine närrische Gugelfuhr - diese Spielmann - Weisheit wird in dem Stück in verschiedensten Varianten illustriert. Es ist eine Allegorie auf die Zeitlosigkeit menschlicher Eigenschaften.
Ein Märchen ist das Schauspiel aber sicher nicht. Denn das Gute unterliegt am Ende und Leid, Dummheit, Hochmut und Tod behalten die Oberhand.

Den Ort der Handlung bildet ein Markt um das Jahr 1500.
Man steht vor dem Ausbruch der Bauernkriege und der Reformation. Menschliche Schicksale leuchten auf. Personifiziert erscheinen Charaktereigenschaften wie Stolz und Geldgier, Eitelkeit, Dummheit und Macht. In der Figur der "Frau Leid", konzentriert sich schließlich die Anklage gegen Unmenschlichkeit und Gewalt.
Doch auch Streiflichter aus neuer Zeit fallen in die Handlung ein. So blicken wir mit den Gauklern zum Schluss in einer "Fern-seh-Schau" in die mögliche Zukunft: "Elend, Angscht und falsche Glanz, Chinderluscht und Hochzyts-Schranz, Mummeschanz und Totetanz. Eineweg — mir läbe!"
Auch mittelalterliche Tänze und Lieder sind in die Handlung eingebaut.

Das Stück lässt die Zuschauer nie in beschauliche Ruhe versinken, vom Spielmann werden die Zuschauer direkt provoziert.
Zum Beispiel durch unbequeme Fragen. "Was meinet Ihr dazu - Du, Du und Du?", bohrt er nach einer besonders grausamen Szene, um dann zu fordern:
"I will's nit wisse, frog die selber, lueg, ob du di nit auch hinter Kirch und Obrigkeit verstecke tuesch, wenn's Elend um di schreit."
Das Theaterstück will zum In-Sich-Kehren, zum Forschen nach der eigenen "Christlichkeit" anregen.
Mittelalterliche Weltbilder werden darin mit philosophischen Gedanken zur Neuzeit verwoben.
Eindruck heischende Gewänderpracht von Würdenträgern, Patriziern und Schutzsoldaten, die Trachten "des Volkes" und die schillernde Buntheit der Narrenkostüme ziehen das Publikum in ihren Bann.

Das Narrenteam bringt die Zuschauer mit Klamauk, pfiffiger Verhöhnung der Obrigkeit und mit lustig vorgetragener Narrenklugheit zum Lachen und Grübeln, Bürgermeister "Stolz" zeigt Einsatz für Amt und Würden, Prälat "Fromm" vermittelt den Widerspruch zwischen Institution und Lehre.
Der Spielmann, kommentiert die Handlung der Personen, die während seiner Rede in ihrer jeweiligen Pose erstarrt verharren. Er wandert sicher auf dem Grad zwischen Mitgefühl und Distanz. "Junker Dumm" und "Gretchen Schön" machen Ihren Namen alle Ehre.
Wirkungsvoll bringen "Magister Eitel" und "Hauptmann Grob" ihr "Funktionieren" als Volkserzieher und Obrigkeitsschützer zum Ausdruck.

Der auf Opfersinn angewiesene Kirchenvertreter hat der Analyse der "Frau Leid", dass ein nicht eingreifender Gott die Armen hassen müsse, wenig entgegenzusetzen.
Die Besitzphilosophie von "Frau Riich" - "Nur wer was hat, kann menschlich sein."- wirkt durch ihren Geiz und die Angst vor dem "Pöbelaufruhr" paradox.
Der Bürgermeister wird sofort zum "Wendehals", als sich für die Herrschaft reale Gefahren durch aufrührerische Studenten ankündigen.
Dann zieht die "Gugelfuhr" auf den Hof, der "Narrenspiegel" wird ausgepackt - der dem Fernsehgerät unserer Tage verdächtig ähnlich sieht - dem Vertreter des "Wissenschaftspalavers" wird der Hintern gezeigt, und der Obernarr kündigt via Fernsehapparat menschliche Narretei auch für das Jahr 2000 an.

Dass die Pest und die Tod bringende Gugelfuhr nur Leid, Dummheit und Hochmut leben lassen, ist allerdings eine unbequeme Aussage für fortschrittsbewußte Zukunftsoptimisten.