Erna Döbele - Mut der Verzweiflung

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April 1945, es sind die letzten Kriegstage.

Man hört auch am Hochrhein und im Hotzenwald von ersten Vorstößen der Französischen Truppen in Deutsches Gebiet.
Erna Döbele (geb. Horadam; * 10. Mai 1915 in Karlsruhe; † Juli 2001 in Murg am Hochrhein) ist zu dieser Zeit Luftschutzbeauftragte der Gemeinde Murg. Sie hat als solche den Auftrag feindliche Fliegerstaffeln, die von anderen Posten gemeldet werden, telefonisch an die nächste Station weiterzumelden um die vermutlichen Ziele vorzuwarnen. Aus diesem Grund hat sie als eine der wenigen das Privileg eines Telefons im Haus.

Das Stück aus der Feder von Markus Manfred Jung erzählt tatsächliche Geschichte. Er schafft es mit Erna Döbeles Geschichte mühelos das Publikum bis zur letzten Sekunde in Atem zu halten. Es gelingt ihm mit Hilfe der erlaubten Freiheiten reale Personen mit Fantasiefiguren so zu verbinden dass der Fanatismus für das 1945 längst verlorene Ziel eines arischen Deutschlands genauso zur Sprache zu bringen, wie die Verzweiflung und den Mut sich gegen den Wahnsinn aufzulehnen.
Er lässt geschickt verschiedene reale Personen dieser Zeit aufeinandertreffen (auch wenn sie sind sich in dieser Form nicht alle begegnet sind) und verbindet reale Begebenheiten der letzten Kriegstage mit den nötigen Fäden um die Spannung des Stückes zu erhalten und die verschiedenen Szenen zu verbinden.
Aufgebaut wurde das Stück auf vielen Gesprächen des Autors mit Erna Döbele selbst, ihren drei Söhnen und anderen Zeitzeugen.

Hier werden sie demnächst das Originaltondokument aus dem Jahr 1992 anhören können, in welchem Erna Döbele von diesem entscheidenden Tag, der in der letzten Szene des Stückes gezeigt wird, erzählt.

Zu Beginn des Stückes ist Erna mit Ihren drei Söhnen auf Hamsterfahrt durch die Hotzenwaldgemeinden, denn da die Männer noch im Krieg sind und das Land bereits ausgezehrt ist, hat sie wie alle mit Armut und Hunger zu kämpfen. Zudem sind bei Ihr und der Schwägerin wie fast überall auf dem Land Stadtkinder zur Pflege untergebracht, die bei Bombenangriffen Heim und teilweise auch Eltern verloren haben. Als Tauschware bieten sie selbstgefertigte Teile aus Stoff und Holz an. Döbeles haben eine Schreinerei, der Mann, Ludwig, ist in amerikanischer Gefangenschaft. Daheim warten noch acht Pflegekinder aus ausgebombten Städten.
Wie vielen der zum Hamstern gezwungenen trifft sie nicht überall auf Freundlichkeit. Nicht jeder hat Mitleid mit anderen und so sind einige sich selbst die nächsten und andere gern bereit für eine kleine Tauschware das Wenige zu teilen was sie haben.
Während eines Gesprächs mit drei Bäuerinnen zeigen sich verschiedene der üblichen Meinungen und Weltbilder von offenem Hass auf andere bis hin zu der Verzweiflung über die hoffnungslose Lage und dem Hoffen auf ein baldiges Ende des Krieges.

Aber eines wird schon hier deutlich: Die polnischen Zwangsarbeiter haben auf dem Land selten einen Guten Stand, vor allem dann nicht, wenn sie Zuneigung zeigen zu den Bäuerinnen bei denen Sie zur Feldarbeit abgestellt sind oder noch schlimmer gar Zuneigung zu deren Töchtern.
Zwar sind die meisten dieser Frauen schon Jahre allein, die Männer sind im Krieg vermisst oder gar gefallen, dennoch sind Gefühle den Zwangsarbeitern gegenüber verboten und werden auch immer wieder zur Anzeige gebracht und dass nicht selten von den eigenen Familienmitgliedern.

Die nächste Szene spielt sich in einer Gaststube in Murg ab.
Rosina eine Freundin von Erna versieht dort Schankdienst um sich ein Zubrot zu verdienen, denn Ihr Mann gilt als in Stalingrad vermisst und sie versucht so über die Runden zu kommen. In der Gaststube haben sich einige Bauern eingefunden. Zudem erlaubt Rosina ihrem polnischen Helfer Stani und einigen seiner Freunde trotz Verbotes sich in der Gaststube aufzuhalten und dort Karten zu spielen. Dies führt zu einer unschönen Szene mit einem jungen noch immer überzeugten Nazi. Er spielt sich auf und wird durch einen verschrobenen Bauern mit wie zufällig hingeworfenen Sprichwörtern auf den Platz gesetzt. Ecker sucht daraufhin Streit, erst mit dem Bauern, dann mit den Polen. Ecker betet, schon leicht betrunken, die offizielle nationalsozialistische Ideologie der Rassenlehre herunter. Er zeigt offen und aggressiv seine Abneigung und gibt klar zu verstehen, dass er weder schätzt dass die Polen anwesend sind noch dass Rosina seiner Meinung nach deutlich zu viel Zuneigung zu Ihrem polnischen Helfer zeigt.
Trotz des Eingreifens des Anwesenden Pfarrers Rombach lässt sich Gerwig nicht zur Vernunft bringen, die Polen verlassen schlussendlich fluchtartig das Lokal und Gerwig wähnt sich als Sieger. Gerwig versucht unbeholfen seine Zuneigung z Rosina zu zeigen, was nach der Szene die er veranstaltet auf wenig Gegenliebe stößt.
Die angespannte Situation wird durch das plötzliche Eintreten des Kreisleiters Bender beendet. Dieser teilt dem angetrunkenen aber plötzlich lammfrommen Gerwig mit, dass er die polnischen Zwangsarbeiter in zwei Tagen nach Bad Säckingen zu begleiten habe. Gerwig fühlt sich in dieser verantwortungsvollen Rolle wohl und mulmig zugleich versucht dies aber vor allem seinen Vorgesetzten nicht spüren zu lassen.

Das nächste Bild zeigt die heimgekehrten und hungrigen Hamsterer in der Wohnstube der Döbeles. Erna versucht die ausgehungerten und überdrehten Söhne zur Ruhe und an den Tisch zu bekommen, doch die Tatsache dass es trotz der relativ erfolgreichen Hamstertour nur wenig zu Essen gibt führt bei den beiden älteren Söhnen zu Unmut.
In das karge und schnell beendete Mahl platzt Rosina, die mit Erna über den Vorfall in der Gaststube reden will. Erna schickt die Kinder aus der Stube um ungestört mir Rosina sprechen zu können. Sie schickt die Jungs zu Ihrer Schwägerin um dort die Pflegekinder abzuholen.
Die spielenden Kinder treffen auf den Pfarrer, der auf dem Weg zu Rosina und Erna ist. Dieser unterhält sich kurz mit ihnen und bei dem Gespräch zeigt sich, wie offen auch in den Schulen gegen Kirche und Glauben gehetzt wird.
Doch der Pfarrer hat es eilig, er befürchtet nach dem Vorfall im Gasthaus, dass die beiden Frauen jetzt
Probleme mit ihrer positiven Einstellung den Polen gegenüber und ihrer offenen Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende bekommen könnten.
Noch während der Pfarrer eindringlich auf die Frauen einredet platzt Gerwig herein. Es ist ihm sichtlich unangenehm, dass ihm der Pfarrer zuvor gekommen ist. Er versucht Rosina dazu zu bekommen, dass sie allein mit ihm redet, was ihm aber nicht gelingt.
Der Pfarrer geht, obwohl die beiden Frauen versuchen ihn zu halten und Gerwig versucht daraufhin sofort seinen Ausbruch in der Gaststube schönzureden und zu rechtfertigen.
Er geht schließlich so weit Rosina einen Antrag zu machen und das obwohl sie noch nicht einmal sicher weiß, dass ihr Mann tatsächlich tot ist.
Mit einem Trick gelingt es Erna schließlich Gerwig aus der Stube zu bekommen und sie bleibt mit der nun vollends verzweifelten Rosina zurück.

Szene 4 spielt vor dem Bahnhof Murg. Ein Zug wird erwartet, mit dem Ernas Schwager Eugen auf Heimat-Urlaub kommen soll. Die Döbeles, und mit ihnen auch ihr polnischer Helfer Wacek, warten mit einem großen Fuhrwerk, auf dem eben gekaufte Möbel lagern, unter anderem auch ein Klavier. Mit Eugen steigt überraschend auch Ernas in Berlin lebende Schwester Inge aus dem Zug. Die Kinder, für die die Ankunft ein Fest bedeutet, spielen übermütig. Eugen teilt der wartenden Erna mit, dass auch sein Bruder Adolf seit Singen mit im Zug sitz. Er hat sich unerlaubt seinem Dienst entzogen und ist desertiert. Da er auf Grund eines Steckschusses nicht mehr an die Front geschickt werden kann, wurde er zum Abtransport von Juden nach Auschwitz gezwungen und ist unter dem Grauen dieser Aufgabe zusammengebrochen. Heimlich, da Ecker, zusammen mit SS-Leuten, die Passagiere kontrolliert, wird er unter die Wagenplane geschmuggelt. Inge, Erna und die Kinder versuchen derweil mit lautstarken Ablenkungsmanövern die kontrollierenden Soldaten so zu beschäftigen, dass dies, wenn auch knapp, gelingt. Schlussendlich spielt Erna auf dem neu erworbenen Klavier und fährt spielend davon während neugierigen Passanten die streitenden und tobenden Kinder und das dadurch entstehende Chaos ihr Übriges tun, dass die Soldaten schließlich aufgeben.

Endlich in der Wohnstube angekommen erzählt Adolf von seinen schrecklichen Erlebnissen. Doch die Angst vor Entdeckung und Inges dadurch ziemlich unsensibles Verhalten dem Deserteur gegenüber führen schnell zu der Entscheidung, dass Adolf gut versteckt werden muss um nicht zur Gefahr für Alle zu werden. Für ihn wird ein Versteck hergerichtet. Dabei werden die Döbeles aber von Gerwig überrascht, der schon am Bahnhof ein Ablenkungsmanöver hinter der Szene vermutet hat es nur nicht beweisen konnte. Er lässt sich diesmal auch durch Rosina nicht mehr von seinem Verdacht abbringen, dass die Familie Ungesetzliches tut. Dank geschickter Hilfe, unter anderem durch Stani, wird eine Entdeckung gerade noch verhindert und Gerwig zieht frustriert ab.
Am Abend schreckt ein Telefonanruf die Familie auf. Erna fürchtet zunächst einen Fliegerangriff, welchen sie weitermelden muß aber stattdessen erhält sie eine Warnung. Der Schulleiter von Rheinfelden unterrichtet Sie vom vermutlichen Vorhaben der SS, die polnischen Erntehelfer der Gegend am nächsten Tag in einer Kiesgrube zu erschießen. Bisher waren alle in gutem Glauben davon ausgegangen, dass Die Polen nach Hause verbracht werden würden.
Erna schafft mit Hilfe des Pfarrers, des Bürgermeisters und ihrer Familie einige Polen über den Rhein in die Schweiz und andere in sichere Verstecke in Murg.
Gerwig hat indes die Döbeles nicht mehr aus den Auge gelassen und beschließt die Flucht der Polen zu verhindern. Pfarrer Rombach hat allerdings Gerwig nicht mehr aus den Augen gelassen und stellt diesen bevor er die Gruppe auf dem Weg zum Rhein stellen kann. Er entreißt ihm seine Waffe und versucht ihm klar zu machen, dass er den falschen Weg einschlägt. Gerwig klammert sich verzweifelt an die ihm eingetrichterten Phrasen. Der Pfarrer lässt Gerwig schließlich ziehen nachdem er sicher ist, dass die Polen in Sicherheit sind.

Die letzte Szene spielt in Säckingen vor dem Rathaus, wo sich 96 der 106 herbefohlenen Polen einfinden und auf die erhoffte Rückreise warten. Da Erna nach dem Telefonanruf vom Vortag ihren schrecklichen Verdacht, dass das Ganze eine getarnte Erschießungsaktion ist, bestätigt sieht, greift sie mit dem Mut der Verzweiflung in heftigen Worten den Kreisleiter Bender so an, dass dieser überraschend die Erschießungsaktion abbläst. Sie, als Einzige, wird festgehalten. Während Bender von der Bildfläche verschwindet und die übrigen Soldaten mit den aufgefahrenen LKWs wieder wegfahren, bleibt Gerwig zur Bewachung von Erna zurück. Sein Kampf mit sich selbst um die Entscheidung, ob er den richtigen Weg geht oder nicht ist beängstigend. Dann lässt er Erna plötzlich allein zurück und flüchtet vom Platz. Watzek der nur auf diesen Moment gewartet hat verhilft Erna zur Flucht. Der Bürgermeister von Murg versteckt Erna schließlich bis Kriegsende im Keller.